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Chronische Lebererkrankungen: wie könnten Gen-und Zelltherapien helfen?

Chronische Lebererkrankungen sind ein signifikantes globales Gesundheits- und Wirtschaftsproblem, und stellen weltweit die elfthäufigste Todesursache dar. Wenn die Leber zu stark geschädigt wird, verliert sie sowohl ihre Funktion als auch ihre Regenerationsfähigkeit. Dies stellt ein lebensbedrohliches Problem dar. Die einzige aktuell verfügbare Therapieoption ist eine Lebertransplantation. Könnte Regenerative Medizin hier helfen?

Einführung in chronische Lebererkrankungen

Die Leber ist das größte innere Organ des menschlichen Körpers. Sie hat viele lebenswichtige Aufgaben und unterstützt den Körper u.a. bei der Entfernung von Giftstoffen aus dem Blut, der  Verdauung von Nahrung und der Bekämpfungvon  Infektionen. Sie ist das einzige innere Organ des Körpers, das sich nach einem Schaden selbst regenerieren kann.

Die dafür verantwortlichen Zellen der Leber werden Hepatozyten genannt. Im Durchschnitt lebt jede Hepatozyte ca. 200-300 Tage. In einer gesunden Leber können Hepatozyten sich teilen, um Kopien von sich selbst zu erzeugen. Somit können sie sterbende Zellen ersetzen und sogar bestimmte Schäden reparieren.

Wenn die Leber schwerwiegend verletzt ist, ist ein anderer Zelltyp an der Heilung beteiligt. Diese Zellen werden hepatische Progenitorzellen (HPZ) genannt. HPZ sind lebereigene Stammzellen und es wurde in   Mäusen gezeigt , dass sie bei schweren Leberschäden neue Hepatozyten produzieren.Forscher*innen haben Methoden entwickelt, um HPZ aus der Leber zu extrahierenund in großer Zahl im Labor zu züchten. Anschließend können sie in Mäuse mit geschädigter Leber transplantiert werden und produzieren dort neue Hepatozyten.

Bei chronischen Lebererkrankungen wird die Leber über einen langen Zeitraum immer wieder geschädigt, z.B. aufgrund einer Langzeitinfektion. Diese Schäden reduzieren die Menge an funktionalem Lebergewebe. Sie beeinträchtigt auch die Fähigkeit von Hepatozyten sich zu teilen und den Schaden zu reparieren, indem sie einen Prozess einleiten, den man „Seneszenz“ nennt. Seneszenz sorgt unter anderem dafür, dass Zellen sich nicht mehr teilen können und sich das Gewebe somit nicht regenerieren kann. Darüber hinaus verursachen Langzeit-Leberschäden die Bildung von Narben in der Leber (Zirrhose).

Zirrhose kann zu einer Vielzahl von gesundheitlichen Komplikationen führen. Diese umfassen Schwellungen oder Blutungen der Venen in der Speiseröhre und im Magen, reduzierte Blutgerinnung (und somit ein erhöhtes Risiko schwerer Blutungen), sowie kognitiveProbleme wie Verwirrtheit. Wenn die Zirrhose fortschreitet, staut sich häufig Flüssigkeit in den Beinen und Knöcheln (peripheres Ödem) oder im Bauchraum (Aszites). Diese Flüssigkeitsansammlung kann schmerzhaft sein und die Bewegungsfähigkeit einschränken. In schweren Fällen kann es zu einer Infektion der Aszitesflüssigkeit kommen, die dann möglicherweise mit einem Schlauch abgelassen  werden muss.

Wissenschaftler*innen haben gezeigt, dass es Zellen mit ähnlichen Eigenschaften wie Maus-HPZsauch in menschlichen Lebern vorhanden sind und untersuchen, ob sie geeignet für Zelltherapien sind. Dabei wird unter anderem getestet, ob die HPZ mit klinisch geeigneten Methoden und in einem Maßstab gezüchtet werden können, der eine zukünftige Verwendung in Patient*innen ermöglicht.

Aktuelle Behandlungen

Die Methoden zur Behandlung von Zirrhose hängen von der Ursache des Schadens ab. Manchmal wird Patient*innen geraten, ihren Lebensstil zu ändern, und z.B. ihre Ernährung umzustellen oder Alkohol zu vermeiden. Es kann auch sein, dass Medikamente verwendet werden, um Schwellungen zu reduzieren oder Infektionen vorzubeugen.

Die einzige derezeit verfügbare Behandlung  für Patient*innen mit fortgeschrittener Zirrhose ist eine Lebertransplantation. Allerdings übersteigt die Anzahl der Patient*innen, die ein Spenderorgan benötigen, bei weitem die Anzahl an verfügbaren Spender*innen. Die Auswahl von passenden Spender*innen ist ein sehr komplexer Vorgang, bei dem sichergestellt werden muss, dass ihre „Gewebemerkmale“ zu denen des/der Patient*in passen, damit das Organ nicht von dem Körper abgestoßen wird. Wenn eine erfolgreiche Transplantation durchgeführt werden kann, ist der Vorgang sehr kostspielig und der/die Patient*in muss lebenslang Immunsuppressiva nehmen. Daher ist es notwendig alternative Therapiemöglichkeiten für Zirrhosepatient*innen zu finden. 

Wie könnten Gen- und Zelltherapien helfen?

Forscher*innen untersuchen ob sich Gen- und Zelltherapien für die Behandlung und Reparatur von chronischerLeberzirrhose eignen. Ein großes Hindernis für die Behandlung von Patient*innen, die eine Lebertransplantationen benötigen, ist die geringe Verfügbarkeit von Spenderorganen. Dieses Problem könnte gelöst werden , indem eine ausreichende Anzahl von Spenderhepatozyten im Labor gezüchtet werden.

Eine weiter  Herausforderung der Organtransplantation ist die Notwendigkeit, das Spendergewebe and den Empfänger anzupassen,, sowie das Risiko einer Abstoßung durch das Immunsystem Mit Hilfe von Technologien, bei denen Hepatozyten aus den Zellen des Patienten selbst (z.B. aus induzierten pluripotenten Stammzellen „induced pluripotent stem cells“ iPSCs), hergestellt werden, könnte das Risiko der Abstoßung überwunden werden. Wissenschaftler*innen untersuchen auch, ob man Immunzellen einsetzen kann, um geschädigtes Gewebe zu reparieren und die Immunreaktion des Patienten zu reduzieren, sodass  neue Schäden reduziert werden .

Tissue engineers (zu deutsch: Forscher, die Gewebe züchten) untersuchen, ob es möglich ist für Transplantationen geeignetes Lebergewebe im Labor herzustellen. Dies ist ein hochkomplexer Vorgang, da verschiedene Zelltypen in der korrekten Anordnung eingesetzt werden müssen, um ein Organ zu erzeugen, das über lange Zeit im Köper überleben und funktionieren kann.

Nächste Schritte

Bioartifizielle Lebern

Bioartifizielle Lebern sind ein wachsendes Forschungsgebiet, das Biologie mit Technologie kombiniert. Ähnlich wie bei Dialysegeräten handelt es sich hierbei um externe Geräte, durch die das Blut der Patient*innen fließt und wieder in den Körper gelangt. Anders als traditionelle Geräte, bei denen Toxine und Abfallprodukte mit synthetischen Membranen herausgefiltert werden, enthalten bioartifizielle Lebern eine Kammer mit gesunden, lebenden Hepatozyten. Theoretisch können die Zellen in diesen Geräten Toxine entfernen und essentielle Proteine (z.B. Albumin für das Blutserum) produzieren und andere lebenswichtige Aufgaben einer gesunden Leber übernehmen. Ähnlich wie bei der Verwendung von Hepatozyten für Transplantationen ist auch hier die Gewinnung einer ausreichenden Menge an Zellen, die in den Geräten eingesetzt werden, ein massives Hindernis. Forscher*innen versuchen dieses Problem zu lösen, indem sie Hepatozyten von tierischen Spendern (z.B. Schweinen) oder menschliche Stammzellen (z.B. iPSCs) verwenden, um eine große Anzahl voll funktionsfähiger Hepatozyten zu züchten. Klinische Studien zur Verwendung von bioartifiziellen Lebern haben gemischte  Ergebnisse geliefert. Einige zeigten keinen Vorteil gegenüber konventionellen Behandlungen. Neuere Technologien für die Kultivierung der Zellen in den bioartifiziellen Lebern versprechen allerdings die Qualität der Zellen, ihre Stoffwechselaktivität und die Gesamteffizienz der Geräte zu verbessern.

Züchtung von Lebergewebe

Die tissue engineering (u.a. Gewebzucht) Forschung treibt Techniken zur Züchtung ganzer Organe wie der Leber voran. Die künstliche Herstellung von Lebergewebe ist ein hochkomplexer Prozess, für den sehr große Mengen an funktionalen Hepatozyten benötigt werden, die in dreidimensionalen Strukturen mit anderen Zelltypen zusammengesetzt werden müssen. Wissenschaftler*innen haben schon Gerüste entwickelt, auf denen die Hepatozyten wachsen können und sie können die generelle Struktur vorgeben. Es gibt aber immer noch substantielle Herausforderungen.

Wieder einmal ist es ein Problem, dass eine große Menge an humanen Zellen benötigt wird, Stammzellen, speziell iPSCs, bieten das Potential die große benötigte Menge an Hepatozyten zu produzieren. Die Wissenschaftler*innen müssen jedoch sicherstellen, dass diese Zellen die korrekte Stoffwechselaktivität aufweisen und dass sie sich nicht unkontrolliert im Körper vermehren, da dies zur Ausbildung von Tumoren führen kann.

Neben dem Problem der Zellzahl untersuchen Forscher*innen auch, wie Blutgefäße und andere Zelltypen, die für die Integration des Organs in den Körper und seine korrekte Funktion sowie sein Überleben essentiell sind, in das gezüchtete Gewebe eingefügt werden können.

Die Züchtung von Lebern aus Stammzellen ist ein ehrgeiziges Ziel, hat aber auch das Potential viele der Probleme der anderen Behandlungsmethoden zu umgehen oder sogar zu lösen. Solch eine Technologie würde die geschädigte Leber vollständig durch eine neue ersetzen, die bestenfalls Angriffen durch das Immunsystem entgeht, wenn sie aus iPSCs hergestellt wurde.

Finden Sie mehr heraus

  1. European Association for the Study of the Liver : Informationen zur EU Strategie, Englisch
  2. British Liver TrustInformationen zu Behandlungsmöglichkeiten und Unterstützung in UK, Englisch
  3. Deutsche Leberstifung: Informationen für Betroffene und Angehörige

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