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Parkinson-Syndrom – wie könnte Gen- und Zelltherapie helfen?

Das Parkinson-Syndrom betrifft Millionen von Menschen weltweit. Obwohl die Symptome behandelt werden können, gibt es noch kein  Heilmittel. Wissenschaftler untersuchen derzeit, wie regenerative Medizin und Stammzellforschung eingesetzt werden könnten, um die Krankheit besser zu verstehen um sie dann zu behandeln oder gar zu verhindern, dass die Krankheit ensteht.

Eine Einführung zum Parkinson-Syndrom

Das Parkinson-Syndrom (kurz Parkinson) ist eine häufig auftretende Erkrankung mit etwa 140.000 Fällen im Vereinigten Königreich und über 10 Millionen Fällen weltweit. Sie kann Menschen jeden Alters betreffen, tritt aber typischerweise im Alter von etwa 70 Jahren auf. Jüngere Patienten haben häufig seltenere genetische Formen der Erkrankung. Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen. Einige Forschungen haben einen Zusammenhang mit Pestiziden festgestellt, während Rauchen und Kaffee das Risiko der Erkrankung zu verringern scheinen. Es ist jedoch bisher nicht bekannt, warum dies der Fall ist.

Eines der Hauptprobleme bei Menschen mit Parkinson ist der Verlust von Dopamin in bestimmten Teilen des Gehirns. Diese Substanz (Neurotransmitter) wird von Zellen (dopaminergen Zellen) in einem Bereich des Gehirns namens Substantia nigra produziert. Diese Zellen sterben langsam bei Patienten mit Parkinson ab.

Die Substantia nigra ist ein Teil des Gehirnkreislaufs, welcher an der Steuerung von Bewegungen sowie Stimmung und Entscheidungsfindung beteiligt ist. Wenn etwa 50% dieser dopaminergen Zellen fehlen, ist der Dopaminpegel im Kreislauf so gering, dass Patienten anfangen Symptome zu entwickeln, die die motorischen Fähigkeiten betreffen. Die charakteristischen motorischen Merkmale von Parkinson kennzeichnen sich durch langsamere Bewegungen , Tremor, Steifheit, leiser Stimme und einem gebeugten, schlurfenden Gang. Wenn die Symptome beginnen, ist in der Regel eine Körperseite stärker betroffen als die andere.

Es sind jedoch nicht nur die Menge an Dopamin oder die Zellen in der Substantia nigra, die von der Erkrankung beeinträchtigt werden. Viele andere Arten von Nervenzellen sind betroffen, was zu nicht-motorischen Symptomen führen kann, einschließlich Verlust des Geruchssinns, Verstopfung, Ausagieren von Träumen (REM-Schlaf-Verhaltensstörung), Motivationsverlust und schlechter Stimmung. Diese können vor den motorischen Symptomen auftreten und werden deshalb als prodromales oder prämotorisches Parkinson bezeichnet.

Parkinson kann normalerweise erst bei der Autopsie anhand des Verlusts der dopaminergen Zellen bestätigt werden. Diese Bestätigung beruht auf der Identifizierung eines Proteins im Gehirn namens alpha-Synuclein. Bei Parkinson verhält sich dieses Protein abnormal und sammelt sich in Strukturen namens Lewy-Körpern an. Wie genau es jedoch dazu kommt, dass sich dieses Protein ansammelt, und anschließend Probleme verursacht, ist noch nicht ausreichend erforscht. Es kann sein, dass die Erkrankung im Darm oder im olfaktorischen System (dem System, das für unseren Geruchssinn verantwortlich ist) beginnt und sich dann entlang des Nervensystems bis zum Gehirn ausbreitet.

Aktuelle Behandlung

Es gibt verschiedene pharmakologische Ansätze zur Behandlung der Symptome von Parkinson.

  • Einige Therapien konzentrieren sich darauf, das verlorene Dopamin im Körper zu ersetzen. Das Medikament Levodopa wurde in den 1960er Jahren entdeckt. Es wird im Körper in Dopamin umgewandelt und fungiert daher als Ersatz für die verloren gegangenen dopaminproduzierenden Neuronen.
  • Einige andere Medikamente wirken ähnlich wie Dopamin, indem sie die Nervenzellen im Kreislauf stimulieren - diese werden als Dopamin-Agonisten bezeichnet.
  • Es gibt noch eine dritte Hauptgruppe von Medikamenten, die den Abbau von Dopamin verlangsamen und es so länger im Gehirn halten. Diese werden als MAO- oder COMT-Inhibitoren bezeichnet.

Andere Medikamente können verwendet werden, um einige der anderen Merkmale von Parkinson zu behandeln, wie z.B. Verstopfung, Schlafprobleme, Schluckstörungen und neuropsychiatrische Probleme einschließlich visuelle Halluzinationen, akute Angstzustände und Paranoia.

Patienten werden auch mit Ergotherapie, Physiotherapie, gesunder Ernährung und Bewegung behandelt. Aerobe Übungen bieten allgemeine Gesundheitsvorteile und verbessern die körperliche Fitness was sich wiederum positiv auf die motorische Symptome bei Menschen mit Parkinson auswirkt.

Chirurgie wie die tiefe Hirnstimulation mit implantierten Elektroden kann bei fortschreitender Parkinson-Krankheit eingesetzt werden, insbesondere wenn die Medikamente wenig Effekt zeigen. Medikamente für Parkinson können neben einer nachlassenden Wirksamkeit auch Komplikationen wie übermäßige unkontrollierte Bewegungen (sogenannte levodopa-induzierte Dyskinesien) verursachen.

Diese Behandlungen lindern zwar die Symptome des Parkinson-Syndroms, können jedoch den Schaden an den Nervenzellen im Gehirn nicht verlangsamen oder umkehren. Im Laufe der Zeit werden die Symptome deshalb trotz Behandlung schlimmer. Häufig kommt es erst zu einer Diagnose von Parkinson, wenn Patienten schon jahrelang unter der Krankheit leiden und bereits über die Hälfte ihrer dopaminergen Zellen verloren haben. Diese Zellen können nicht wiederhergestellt werden. Tests, die Parkinson früher erkennen können, könnten helfen. Wissenschaftler versuchen auch, Therapien zu entwickeln, um das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen oder zu stoppen.

Ersetzen verlorener Zellen

Ärzte und Wissenschaftler glauben, dass das Ersetzen abgestorbener Zellen, auch "Zelltransplantation" genannt, erfolgreich sein könnte.

Die frühesten Studien zur Zelltransplantation bei Parkinson wurden in den 1980er und 1990er Jahren durchgeführt. Forscher*Innen in Schweden, Amerika und Kanada entnahmen sich entwickelnde dopaminproduzierende Zellen aus fötalem Hirngewebe (der wachsenden Substantia nigra). Diese fötalen Nervenzellen wurden dann in Tiere und später in Menschen mit Parkinson transplantiert, indem eine Lösung, die die Zellen enthält, direkt in den Teil des Gehirns injiziert wurde, der das Dopamin benötigt. Einige Transplantationen oder "Transplantate" führten zu erheblichen Verbesserungen der Symptome. In anderen Fällen zeigten sich jedoch nur geringfügige oder keine Veränderungen.

Diese recht klein gehaltenen frühen Studien ebneten den Weg für größere Studien mit mehr Teilnehmern. Diese Studien berichteten jedoch, dass die transplantierten Zellen bei einigen Teilnehmern Nebenwirkungen verursachen könnten. Dazu gehörten unkontrollierte Bewegungen (Transplantat-induzierte Dyskinesie), die der Levodopa-induzierte Dyskinesie ähnlich sind, die bei vielen Patienten bei Langzeitbehandlung mit Levodopa auftritt. Warum dies geschieht, ist noch nicht bekannt.

Interessanterweise haben Untersuchungen an Gehirnen von Menschen, die Transplantate erhalten haben, wichtige Informationen zur Krankheit geliefert. Die transplantierten Zellen stammten von noch sehr jungen Gehirnen und sollten demnach keine "Klumpen" des alpha-Synuclein-Proteins (oder Lewy-Körper) haben. Als Wissenschaftler jedoch die transplantierten Zellen untersuchten, die weniger als 20 Jahre alt waren, konnten sie abnormales alpha-Synuclein nachweisen. Aufgrund dessen glauben einige Wissenschaftler, dass fehlerhafte Formen von alpha-Synuclein von einer Gehirnzelle zur anderen übertragen werden könnten und sich die Krankheit so auf andere Teile des Gehirns ausbreiten könnte.

Ein Forschungskonsortium namens TRANSEURO hat sich erneut mit der Möglichkeit der Transplantation dopaminerger fötaler Zellen beschäftigt. Dieses Projekt zielte darauf ab, Probleme zu lösen, die in früheren Studien aufgetreten sind: nicht bei allen Teilnehmern die gleiche Wirksamkeit zu erzielen und das Auftreten von Transplantat-induzierter Dyskinesie. Die Studie ist bereits abgeschlossen und die endgültigen Ergebnisse werden noch erwartet (Stand Februar 2023). Wichtig ist, dass die Studie bereits berichtet hat, dass es sehr schwierig war, fötales Gewebe zu verwenden, und nicht genügend Zellen aus den fötalen Gehirnen gewonnen werden konnten, um die geplante Anzahl von Patienten zu behandeln. Die Studie kam zu dem Schluss, dass dopaminerge Zellen aus Stammzellen hergestellt werden müssen, wenn diese Behandlung jemals als Therapie für einen Großteil an Patienten mit Parkinson eingesetzt werden soll.

Stammzellen sind noch sehr unreife Zellen, die bei entsprechender chemischer Anleitung dazu gebracht werden können, sich in die benötigten dopaminergen Zellen für eine Transplantation zu entwickeln. Viele Laboratorien versuchen demnach herauszufinden, welche Methoden zur Herstellung solcher Zellen im großen Maßstab geeignet sind. Daraus entstanden sind nun klinische Studien, bei denen zwei Arten von Stammzellen eingesetzt werden:

  • Embryonale Stammzellen (ES-Zellen, Stammzellen aus sehr frühen Embryonen), die in dopaminerge Hirnzellen umgewandelt werden, wurden bereits an Patienten in New York und bald hoffentlich auch in Europa getestet.
  • Induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen, im Labor aus adulten menschlichen Haut- oder Blutzellen erzeugt und dann in dopaminerge Hirnzellen umgewandelt) wurden bereits in klinischen Studien in Japan eingesetzt. Diese Art von Stammzellen könnten dafür sorgen, dass für die Transplantation die eigenen Zellen des Patienten verwendet werden könnten (sogenannte autologe Transplantate). Bis zum Verfassungszeitpunkt (Februar 2023) wurde dies für einen einzigen Patienten berichtet, aber weitere Studien sind geplant.

Die Krankheit verstehen und neue Medikamente entwickeln

Stammzellen haben auch außerhalb der Klinik andere Anwendungen, um Menschen mit Parkinson zu helfen. Wissenschaftler generieren iPS-Zellen aus Gewebeproben von Patienten mit Parkinson und verwenden diese Stammzellen, um krankheitstypische Gehirnzellen im Labor zu produzieren. Diese könnten sich als sehr wirkungsvoll erweisen, um genauer zu untersuchen, wie Parkinson funktioniert, und um Substanzen zu testen, die zu neuen Medikamenten zur Behandlung der Krankheit weiterentwickelt werden könnten.

Gentherapien

Es gibt drei wesentliche Möglichkeiten, wie Gentherapien für Parkinson in Betracht gezogen wurden.

  • Dopamin wird im Gehirn von einer Reihe von Enzymen produziert. Ein Ansatz für die Gentherapie besteht darin, die Gene für diese Enzyme in das Gehirn zu injizieren. Diese Gene, die dieselbe ‚Hülle‘ wie ein Virus tragen, infizieren dann Gehirnzellen und lassen sie wie lokale Fabriken das fehlende Dopamin produzieren. Dies ist jetzt Gegenstand einer Reihe von Studien, darunter eine in Frankreich und in Großbritannien, die eine Therapie namens ProSavin® einsetzt. Die Ergebnisse dieser Studien haben einige Verbesserungen der motorischen Symptome gezeigt.
  • Der zweite Ansatz besteht darin, die Gentherapie zu nutzen, um Dopaminzellen wieder wachsen zu lassen, um die von ihnen produzierte Dopaminmenge zu erhöhen. Dies wurde durch Injektion der Gene für Proteine erreicht, die bekanntermaßen das Überleben und Wachstum dopaminerger Zellen unterstützen und als Überlebens- und Wachstumsfaktoren (wie Neurturin und GDNF) wirken. Modifizierte Zellen, die diese Proteine produzieren können, können überleben, wachsen und weiterhin Dopamin produzieren. Die Ergebnisse dieser Studien waren gemischt, dauern aber noch an. Noch ist unklar, ob sie das Potential haben, die dopaminergen Zellen und die von ihnen produzierten Nervenfasern vor dem Absterben bei Parkinson zu bewahren.
  • Die dritte Strategie besteht darin, eine Gentherapie zu verwenden, bei der mithilfe eines Proteins (wie ein Enzym oder eine andere Art von Molekül) die falschen Abläufe innerhalb einer erkrankten Zelle verhindert werden könnten. Auf diese Weise würde es helfen, die Krankheit zu verlangsamen oder zu stoppen. Dieser Ansatz hat die Klinik noch nicht erreicht. 
  • Ein aufstrebendes neues Forschungsgebiet ist die Idee der „direkten In-situ-Umprogrammierung“. Hierbei wird eine Gentherapietechnologie verwendet, um die lebenden Zellen im Gehirn direkt zu verändern und in die gewünschten Zelltypen (dopaminerge Zellen) umzuwandeln. Dieser Ansatz war in Zellen, die im Labor gezüchtet wurden, bereits erfolgreich. Gliazellen (Nicht-Nervenzellen, die das „Wartungssystem“ des Gehirns bilden) können sich durch Zugabe eines Gen-Cocktails selbst in dopaminerge Nervenzellen umprogrammieren. Dies war in lebenden Gehirnen von Tiermodellen schwieriger nachzuweisen und es ist noch ein langer Weg, bis dieser Ansatz in der Klinik getestet wird. Sollte sich diese Technologie jedoch als erfolgreich erweisen, könnte damit die Notwendigkeit einer Transplantation von Zellen in das Gehirn umgangen werden. Außerdem könnte somit verhindert werden, dass der Körper des Patienten die Zellen „abstößt“.

Nächste Schritte

Im nächsten Jahrzehnt werden wir voraussichtlich folgende Entwicklungen im Bereich der Zell- und Gentherapien bei Parkinson sehen:

  • Die Ergebnisse von frühen und aktuellen klinischen Studien, die dopaminerge Zellen aus Stammzellen verwenden, können zu größeren, von der Pharmaindustrie geleiteten Studien führen, die Stammzelltherapien mit einem Placebo vergleichen.
    • Eine neue Generation von dopaminergen Stammzellen wird entwickelt werden. Diese werden genetisch verändert, um mehrere verschiedene Dinge zu erreichen: die Produktion von alpha-Synuclein (das Protein, das mit dem Zelltod bei Parkinson in Verbindung gebracht wird) zu stoppen
    • Das Erkennen  dieser Zellen für das Immunsystem zu verringern
    • genetische "Schalter" zur regulieren der Dopamin-Freisetzung hinzufügen.
  • Wissenschaftler werden weiterhin die Möglichkeit der direkten in situ Reprogrammierung erforschen. Das ultimative Ziel dieser Studienreihe wäre es, Patienten-Gliazellen (nicht-neuronale Zellen, die das "Wartungssystem" des Gehirns bilden) im Körper in funktionelle dopaminerge Zellen umzuwandeln.
  • Die Verwendung von Stammzellen im Labor zur Modellierung der Krankheit wird weiter verbessert werden. Anstatt einer Schicht von flach liegenden Zellen in einer Schale können 3D-"Organoid"-Modelle hergestellt werden, die Bereiche des Gehirns darstellen, die von der Krankheit betroffen sind. Diese Organoid-Modelle könnten dann genutzt werden, um schnell nach neuen Medikamenten zu suchen, die den Fortschritt der Krankheit verlangsamen oder stoppen könnten.

Gentherapien werden sich voraussichtlich auf die Linderung spezifischer genetischer Formen von Parkinson konzentrieren. Die derzeit in Studien verwendeten Gentherapieansätze (Induktion von Gehirnzellen zur Produktion von mehr Dopamin oder zur Produktion von Substanzen, die benötigt werden, um dopaminerge Zellen am Leben zu erhalten) helfen allen Formen von Parkinson. Durch den Einsatz von Gentherapie zur Korrektur spezifischer Probleme könnte die Gentherapie jedoch auch in einer personalisierteren Weise zur Behandlung verschiedener genetischer Formen von Parkinson eingesetzt werden.

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